09.12.2025

Interview: Von der Verpackung zur Kreislaufverpackung

Kreislaufwirtschaft im Verpackungsbereich ist ein wichtiger Hebel in der Nachhaltigkeitsstrategie zahlreicher Unternehmen. Sarah Huber leitet seit September die Geschäfte von Nestlé in Österreich und hat sich zum Gespräch mit ARA Vorstandssprecher Harald Hauke getroffen.

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Die neuen Vorgaben der Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) werden aus unternehmerischer Sicht herausfordernd sein. Welche Rolle die Konsument:innen spielen und was eine recyclingfähige Verpackung ausmacht, erläutern Nestlé Österreich Geschäftsführerin Sarah Huber und ARA Vorstandssprecher Harald Hauke im gemeinsamen Gespräch.

Sie sind seit September 2025 Geschäftsführerin von Nestlé Österreich – welche Schwerpunkte und Ziele haben Sie sich bei den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft gesetzt?

SARAH HUBER: Bei uns sind Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft keine Einzelprojekte, sondern integrale Bestandteile der Strategie. Dafür arbeiten wir eng mit allen Beteiligten zusammen. Unter anderem treiben wir „Design for Recycling“ voran und reduzieren Neuplastik um ein Drittel. Parallel dazu informieren wir die Konsument:innen, um die Sammel- und Recyclingstruktur zu fördern. Das sind sehr wichtige Themen für Nestlé Österreich, aber auch international.

Mit Blick auf Verpackungen: Mit welchen Herausforderungen sind Sie gerade konfrontiert? Und was können Lösungen dafür sein?

SARAH HUBER: Wir sind stark im Lebensmittelbereich vertreten, wo Verpackungen strengen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen unterliegen. Die Herausforderung ist, die Balance zwischen lebensmitteltauglichen und gleichzeitig kreislauffähigen Verpackungen zu halten. Dabei arbeiten wir mit fünf Säulen: Die Verpackungen zu reduzieren, effizienter zu machen, die Konsument:innen aufzuklären, Kreislaufsysteme zu unterstützen und Verpackungen besser recycelbar zu machen. Die Herausforderung ist unser Bedarf an lebens-mitteltauglichem Rezyklat. Wir sind dran, dieses immer mehr in unseren Verpackungen einzusetzen.

Wie unterstützt die ARA Unternehmen auf ihrem Weg zu kreislauf-fähigen Verpackungen?

HARALD HAUKE: Wir bieten unsere langjährige Erfahrung an, wenn es um die Recyclingfähigkeit von Verpackungen geht. Bereits vor einigen Jahren haben wir uns auf „Design for Recycling“ spezialisiert und optimieren gemeinsam mit unseren Kund:innen ihre Verpackungen. Das geht so weit, dass man über das Tool „Packaging Cockpit“ auch Online-Meldungen nutzen kann, um die Recy-clingfähigkeit festzulegen. Durch unser Know-how können wir beurteilen, ob eine Verpackung etwa zu 70 % oder nur zu 15 % recyclingfähig ist.

Auch der Einsatz von Rezyklat wird in der PPWR geregelt. Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

HARALD HAUKE: Ja, auch das Thema Rezyklat ist in diesem Kontext zentral. Bis 2030 müssen je nach Verpackung bis zu 40 % Rezyklat eingesetzt werden. Bei kontaktsensitiven Anwendungen wie Lebensmittelverpackungen müssen 10 % Rezyklat eingebracht werden. Bisher war das mit Ausnahme von PET nur durch chemisches Recycling möglich. Mit dem von uns entwickelten und patentierten Verfahren UPCYCLE können wir PP- und HDP-Verpackungen so trennen, dass sie erstmals auch für das mechanische Recycling verwendet werden können. In großem Stil ist das möglich, sobald die Anlage UPCYCLE im Wirtschaftspark Ennshafen errichtet ist. Im Rahmen des Forschungsprojekts greenPLAST-food arbeiten wir mit mehreren Forschungspartner:innen daran, das Recycling von Kunststoffverpackungen aus Polypropylen und Polyethylen so weiterzuentwickeln, dass die aus TriPlast gewonnenen Materialien künftig auch für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden können. Das Besondere daran: Wir setzen auf mechanisches Recycling und entwickeln eine skalierbare, indust-rielle Lösung, die erstmals den Wiedereinsatz von Polyolefinen im Lebensmit-telbereich ermöglicht.

Um die EU-Recyclingquoten für Kunststoff ab 2030 zu erreichen, wollen wir möglichst viele Potenziale ausschöpfen, sowohl technologisch als auch in der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Deshalb kooperieren wir unter anderem mit der TU Wien, der JKU Linz, der Montanuniversität Leoben und aus-gewählten Christian Doppler Labors – und vertiefen so unser Know-how rund um die PPWR und die Herstellung von hochwertigen Rezyklaten.


Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die Konsument:innen, wenn es um nachhaltigere Verpackungen und zirkuläre Prozesse geht?

SARAH HUBER: Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist es wesentlich, Konsument:innen umfassend zu informieren. Dabei setzen wir auf klare Botschaften. Unser Ziel ist es, insbesondere vorherrschenden Mythen entgegenzuwirken. Zum Beispiel sind bei Kaffeekapseln viele der Meinung, dass die Kapsel einen großen CO2-Footprint hinterlässt. Das stimmt so nicht. Durch die präzise Portionierung wird genau die Menge Kaffee verwendet, die benötigt wird – das reduziert nicht nur Abfall, sondern auch den Energieeinsatz bei der Zubereitung und reduziert damit den CO2-Footprint. Auch wurde gemeinsam mit der ARA und dem Österreichischen Kaffee- und Teeverband aus dem NESPRESSO-Sammelsystem ein branchenübergreifendes Pilotprojekt gestartet, bei dem erstmals Kaffeekapseln aller Materialien und Marken gesammelt werden. Von Oktober 2023 bis April 2025 konnten bereits 400 Tonnen – rund 38 Millionen Tassen Kaffee – gesammelt werden. Die Sammelmenge stieg um über 30 %, was zeigt, wie viel möglich ist, wenn Industrie, Handel und Sammelsysteme zusammenarbeiten.

HARALD HAUKE: Wir sprechen in diesem Zusammenhang nicht nur von der Produzent:innenverantwortung, sondern auch von der Konsument:innenverantwortung. Um diese zu unterstützen, beginnen wir schon im Kindergarten und in der Volksschule mit umfangreichen Bewusstseinsbildungsprogrammen – etwa mit ARA4kids oder unserem Glas-Maskottchen Bobby Bottle. Auch mit unserer Kampagne, bei der wir immer viele unserer Partner:innen mit ins Boot holen, schärfen wir das Bewusstsein der Konsument:innen durch Plakate und City Lights im öffentlichen Raum. Seit über 30 Jahren vermitteln wir die Botschaft, dass in Verpackungen wertvolle Rohstoffe stecken, die in die richtigen Behälter getrennt entsorgt werden müssen, damit wir sie recyceln können. Laut einer Umfrage, die wir gemeinsam mit dem IMAS Institut umgesetzt haben, trennen bereits 90 % der Österreicher:innen ihren Abfall.

Vervollständigen Sie den folgenden Satz: „Nachhaltige Verpackungen bedeutet für mich …“

SARAH HUBER: Nachhaltige Verpackungen bedeuten für mich einen aktiven Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in unserem Lebensmittelsystem.

HARALD HAUKE: Nachhaltig ist eine Verpackung für mich, wenn sie in unserem Sammelsystem landet. Denn dann wird aus einer Verpackung eine Kreislaufverpackung. Im Restmüll ist sie für das Recycling verloren.