17.11.2023

Österreichs Industrie braucht mehr Rezyklate

In Österreich werden zu viele Ressourcen verbraucht. Um das zu ändern, setzt die Industrie bei der Fertigung neuer Produkte vermehrt auf recycelte Materialien. Bundesministerin Leonore Gewessler ist überzeugt: Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, profitieren sowohl aus ökologischer als auch ökonomischer Sicht.

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V.l.n.r.: Sektionschef Christian Holzer, IV-Vize-Generalsekretär Peter Koren, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, VOEB-Präsidentin Gabriele Jüly, ARA Vorstandssprecher Harald Hauke / Fotocredit: IV

Wenn ein neues Produkt – sei es ein Auto, ein Handy oder ein Kleidungsstück – einen hohen Anteil an recyceltem Material vorweist, ist das gut für die Umwelt. Bei der Produktion kommen weniger primäre Ressourcen zum Einsatz, es wird weniger Energie verbraucht und CO2 ausgestoßen. Darüber hinaus kommt der Einsatz von Rezyklaten auch dem Wirtschaftsstandort Österreich zugute. Denn in Zeiten von Lieferengpässen, Ressourcenknappheit und hohen Energiepreisen sprechen nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Aspekte für den Einsatz von Rezyklaten. Dieser muss sich unbedingt erhöhen, sind sich Politik, Industrie sowie Abfall- und Ressourcenwirtschaft einig. Bei der gemeinsamen Veranstaltung Gemeinsam.Kreislauf.Wirtschaften im Haus der Industrie in Wien wurden innovative Lösungen vorgestellt, um Materialien wie Baustoffe oder Verpackungen im Kreislauf zu halten.

Rezyklateinsatz schafft Wettbewerbsvorteil

Wie der Umstieg von einer linearen Wirtschaft in ein klimaneutrales, zirkuläres System gelingen kann, legt unter anderem die Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bundesregierung fest. Der schonende Umgang mit den Ressourcen ist einer der wichtigsten Grundsätze. Bis 2030 soll der Einsatz von Materialen in der wirtschaftlichen Produktion um 20 Prozent reduziert und das Recycling um 10 Prozent erhöht werden.1

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: „Langlebige recyclingfähige Produkte vermeiden Abfälle und können im Kreislauf geführt werden. Kluge Unternehmer:innen investieren in nachhaltige Produkte und Prozesse und sichern sich damit einen enormen Wettbewerbsvorteil. Denn Klimaneutralität bedeutet Ressourcenschonung auf allen Ebenen. Und dazu gibt es keine Alternative.“

Markt für Sekundärrohstoffe stärken

Österreich ist gut im Recyceln. Bei der Schonung von Ressourcen ist allerdings noch Luft nach oben. Auf jede:n Österreicher:in kommen rund 33 Tonnen Materialienverbrauch pro Jahr, fast um 50 Prozent mehr als im europäischen Durchschnitt2. Um den Einsatz von primären Ressourcen zu verringern, sei als wichtigste Rahmenbedingung ein starker, effizienter Markt für Sekundärrohstoffe, also recycelten Materialien, notwendig, fordert die Abfall- und Ressourcenwirtschaft.

Gabriele Jüly, Präsidentin des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB): „Die Abfallwirtschaft leistet durch Sammlung, Recycling & Verwertung einen wesentlichen Beitrag zu Rohstoffunabhängigkeit und Energieversorgung. Aber wir brauchen auch einen funktionierenden Markt für recycelte Materialien. Ein Lösungsansatz wäre die Einführung einer verpflichtenden Quote für den Einsatz von Rezyklaten in der industriellen Produktion sein. Weiters könnte die öffentliche Beschaffung mit Vorbildwirkung vorangehen und nachhaltige Produkte aus Rezyklaten priorisieren. Auch die Bevölkerung muss mit Informationskampagnen sensibilisiert werden, um die Nachfrage nach recycelten Produkten zu steigern.“

21 Prozent der Investitionen für Kreislaufwirtschaft

Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) erhebt seit Jahren Zahlen und Fakten zur Kreislaufwirtschaft in Österreich. Der Trend zeigt eine klare Richtung: Während 2021 nur 14 Prozent der Gesamtinvestitionen österreichischer Unternehmen in Maßnahmen rund um Recycling, Umweltschutz und Abfallwirtschaft geflossen sind, waren es 2022 bereits 21 Prozent. Als Hindernisse bei der Umsetzung für eine bessere Kreislaufwirtschaft werden jedoch hohe Kosten, komplexe Gesetzgebung und fehlendes Know-how angeführt. Denn oft ist es für die Industrie günstiger, Primärrohstoffe, anstatt Rezyklate zu verwenden. Langfristig sind jedoch die Kosten für den Ressourcenverbrauch und die Umwelt enorm.

Harald Hauke, Vorstandssprecher der ARA, fordert mehr Recyclingfähigkeit: „Die Kreislaufwirtschaft bringt nicht nur Rohstoffsicherheit, sondern mit entsprechenden Rahmenbedingungen auch Investitionssicherheit für die österreichische Wirtschaft mit sich. Wenn wir Kreisläufe in sämtlichen Bereichen schließen, mehr Sekundärrohstoffe nutzen, reduzieren wir kritische Abhängigkeiten bei fossilen Rohstoffen und Energie.“

Nachhaltige Investitionen stärken Standort Österreich

Einer der ressourcenintensivsten Wirtschaftszweige ist die Baubranche, sie verursacht 38 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes3. Gleichzeitig dienen Bau- und Abbruchabfälle als Quellen für wertvolle Rohstoffe. Derzeit werden rund 70 Prozent davon recycelt, möglich ist eine Erhöhung auf 90 Prozent. Experten gehen davon aus, dass die neue EU-Taxonomie zu einer starken Nachfrage nach recycelten Baustoffen führen wird. Denn ab Jänner 2024 muss jede Baumaßnahme hinsichtlich konkreter Nachhaltigkeitskriterien überprüft und dokumentiert werden.

Peter Koren, Vize-Generalsekretär Industriellenvereinigung: „Österreichs Industrie ist und bleibt die beste Wahl für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Diese Tatsache verdeutlicht das Erfolgsformat Gemeinsam.Kreislauf.Wirtschaften einmal mehr in eindrucksvoller Manier. Die starke Partnerschaft von Industrie und Abfallwirtschaft ermöglicht innovative Lösungen für zirkuläres Wirtschaften - von Ersatzbrennstoffen, über neue Recyclingtechnologien bis hin zur Rückgewinnung (kritischer) Rohstoffe und Materialien. Dabei ist die ausreichende Verfügbarkeit von ebendiesen hochqualitativen Sekundärrohstoffen ein zentraler Faktor für das Gelingen der Kreislaufwirtschaft und wesentlicher Bestandteil der fortschreitenden Dekarbonisierung der Industrie“, resümiert Peter Koren, Vize-Generalsekretär der Industriellenvereinigung.



1
BMK, Kreislaufwirtschaftsstrategie 2022, Ziel 3

2
Österreichischer Material-Fußabdruck (MF, 2017): 33 Tonnen pro Kopf, EU-Durchschnitt 23 Tonnen. Er setzt sich aus den inländischen Materialverbrauch plus Rohstoffbedarf für die importierten Halb- und Fertigwaren abzüglich der entsprechenden Exporte zusammen.

3
UN environment programme: 2020 Status Report for Buildings and Construction. Towards a zero-emissions, efficient and resilient buildings and construction sector: https://drive.google.com/file/d/1k2X0oASPl-RUsi90RdKLMkrBfalv29yW/view