28.06.2022

Investitionen für eine neue Kreislauf-Ökonomie

Kreislaufwirtschaft scheint ein Milliardengeschäft zu sein. Kann eine neue Ökonomie, die durch Ressourcenschonung und Wiederverwertung Abhängigkeiten verringert und tragfähige Wertschöpfungsketten schafft, auch eine Dekarbonisierung vorantreiben und die Klimakrise aufhalten?

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Die Investition in die Zukunft

2,7 Milliarden Euro vergab die Europäische Investitionsbank im Zeitraum 2016–2020 für Kreislaufprojekte in verschiedenen Sektoren. Bis 2023 will die Europäische Union in der „Gemeinsamen Initiative für die Kreislaufwirtschaft“ zusammen mit den größten nationalen Förderbanken und EU-Institutionen mindestens 10 Milliarden Euro für Circular Economy investieren. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, stehen darüber hinaus zahlreiche andere Instrumente für die Mitgliedstaaten und Unternehmen bereit,

Viel Geld also für den Umstieg, und auch im österreichischen Aufbau- und Resilienzplan, der zur Bewältigung der Pandemie-Folgen entwickelt wurde, sind bis 2026 Gesamtinvestitionen von rund 4,5 Milliarden Euro vorgesehen. Mehr als die Hälfte davon kommt Klimaschutzzielen zugute – und damit der Stärkung des Wirtschaftsstandortes. 60 Millionen Euro stehen an Forschungsförderung allein für den Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft für 2022 und 2023 bereit.

Gamechanger für Ökologie und Ökonomie

Mittelfristig werden diese internationalen Anstrengungen Früchte tragen und die Kreislaufwirtschaft auf eine solide ökonomische Basis stellen – da sind sich die Expert:innen einig. Die Ellen MacArthur Foundation etwa geht in ihren Studien von einer Erhöhung der Ressourcenproduktivität in Europa um drei Prozent aus – bedingt durch technische Innovationen der Kreislaufwirtschaft. Bis 2030 würde der Vorteil der Circular Economy für die europäische Wirtschaft in einer Größenordnung von 900 Milliarden Euro liegen – verglichen mit der Linearwirtschaft. Und das verfügbare Einkommen der europäischen Haushalte könnte um elf Prozentpunkte höher, der CO2-Ausstoß um 48% niedriger sein.

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»Um die ambitionierten EU-Ziele zu erreichen und die Dekarbonisierung voranzutreiben, müssen wir gemeinsam auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette ansetzen. Das erfordert Investments von allen Partner:innen: Politik, Verwaltung, Industrie, Handel.«

Christoph Scharff

Vorstandsvorsitzender, Altstoff Recycling Austria AG

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Die Business and Sustainable Development Commission wiederum schätzt, dass eine auf Kreislaufwirtschaft umgestellte Fertigung global ein Einsparungspotenzial von mehr als einer Billion Dollar mit sich bringt. Laut der Accenture-Studie „Waste to Wealth“ könnte die Kreislaufwirtschaft bis 2030 jährlich 4,5 Billionen Dollar an zusätzlicher globaler Wirtschaftsleistung generieren. Die International Labour Organization prognostiziert – im Vergleich zu einem Business-as-usual-Szenario – weltweit etwa sechs Millionen neue Arbeitsplätze bis 2030, und bis zu diesem Zeitpunkt sieht die EU ein europaweites Wachstum des Bruttonationalprodukts um 0,5%.

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»Als wichtiger Partner für Wirtschaft, Politik und Konsument:innen bereiten wir Unternehmen auf den Green Deal vor. Dabei geht es nicht primär um die Erreichung von Sammel- und Recyclingquoten. Es geht darum, einen nachhaltigen und tragfähigen Zukunftsmarkt für alle Unternehmen in Österreich zu etablieren.«

Harald Hauke

Vorstand, Altstoff Recycling Austria AG

Aufholbedarf bei KMU

Österreichs Unternehmen haben die Chancen dieses Paradigmenwechsels erkannt und sind auf eine Transformation ihres ökonomischen Handelns vorbereitet. In Sachen Investitions-bereitschaft fungieren große Unternehmen als Zugpferde der Kreislaufwirtschaft. Kleinere und mittlere Betriebe jedoch, so der aktuelle Circular Economy Barometer einer von GfK durchgeführten regelmäßigen Erhebung im Auftrag der ARA, fallen im Vergleich zurück. Zwei Drittel der heimischen Unternehmen planen bzw. nutzen die Kreislaufwirtschaft – 90% der größeren, aber nur 54% der kleineren. Meist sind es mangelnde Planungs- und Rechtssicherheit, die hier zum Bremsklotz werden.

„Die KMU benötigen Unterstützung vor allem bei Abfallreduktion, Wiederverwendung sowie Recycling. Größere Unternehmen richten ihren Fokus überdurchschnittlich häufig auf Kommunikation, Produktdesign und Digitalisierung“, erläutert ARA-Vorstand Harald Hauke. Letztere spielt eine immer größere Rolle. So listet das Klimaschutzministerium eine Vielzahl an Anwendungen auf, welche die Implementierung zirkulärer Geschäftsmodelle in Österreich beschleunigen: Neben zahlreichen Möglichkeiten für Sharing- oder „As a service“-Plattformen zum Beispiel smarte Nutzung, Wartung und Reparatur, also Monitoring, Steuerung und Datenanalysen von Produkten mittels Algorithmen und künstlicher Intelligenz – etwa bei Windrädern. Die heimische Investitionsneigung in Circular Economy für die nächsten drei Jahre nimmt jedenfalls zu: Sie steigt von 33% im Vorjahr auf nunmehr 42%, bei größeren Unternehmen von 64 auf 75% (und damit sogar über Vorkrisenniveau); der Anteil an den Gesamtinvestitionen liegt derzeit bei 9%.

Unterstützung beim Umstieg

Die ARA fördert diese Tendenz und erleichtert ihren Kund:innen den sukzessiven Umstieg auf Kreislaufwirtschaft – in unterschiedlichster Form. Ein Beispiel: eine Recyclingfähigkeits-analyse der wesentlichen Produkte und Verpackungstypen für Salzburg Milch, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren und damit optimierte Verpackungen zu ermöglichen.

Auf „Circular Design“ setzt auch Ölz der Meisterbäcker und achtet auf die Rezyklierbarkeit der Neuprodukte – etwa durch den Einsatz von Monomaterialien, also beispielsweise den Einsatz einer bedruckten Beutelverpackung ohne zusätzliches Etikett. Durch die Zusammen-arbeit mit der ARA konnten bei Ölz Primärrohstoffe sowie Energieträger eingespart und Treibhausgas-Emissionen vermieden werden – im Jahr 2020 waren es 2.410 Tonnen CO2, das entspricht den Treibhausgasmissionen von rund 22 Millionen Pkw-Kilometern.

Bei Vöslauer wiederum, Mineralwasser-Traditionsmarke und langjähriger
Nachhaltigkeitspartner, werden bis 2025 alle PET-Flaschen zu 100 % aus rePET und Folien sowie Etiketten aus 100 % Recycling-Material bestehen. Alle Getränkekisten oder Mehrweg-Glasflaschen kommen zu 100% in einen Recycling-Kreislauf „und werden dadurch immer wieder neu geboren“, wie es Geschäftsführerin Birgit Aichinger formuliert.

Und die Firma Spitz hat das gesamte Abfallmanagement an die ARA ausgelagert – inklusive kompletter Digitalisierung der Abfallströme. Dadurch konnten der Restmüllanteil auf acht Prozent reduziert und Kosten gesenkt werden. „Die Menge an verwertbaren Abfällen hat sich entsprechend erhöht, die Altstoffe werden sauberer getrennt. Dadurch können wir bessere Preise für die Materialien erzielen. Die ökonomischen Einsparungen liegen im zweistelligen Prozentsatzbereich“, zeigt sich Spitz-Geschäftsführer Walter Scherb jun. zufrieden.

Investiert in die Kreislaufwirtschaft hat auch Getränkeriese Coca-Cola am österreichischen Standort Edelstal: 12 Millionen Euro sind in die neue High-Tech-Dosen-Abfüllanlage und die Implementierung der innovativen Verpackungstechnologie KeelClipTM geflossen. Mit dieser
kartonbasierten Sixpack-Verpackung werden nachhaltige Sekundärverpackungslösungen ermöglicht – und auf diesem Weg in Österreich rund 50 Tonnen Kunststoff eingespart.

Was ist erforderlich um die Kreislaufwirtschaft anzutreiben?

ARA-Vorstand Harald Hauke weiß, dass wir es gemeinsam mit 15.000 Kund:innen und 9 Millionen Nutzer:innen schaffen, eine starke Einheit gegen den Klimawandel zu bilden. Doch wir brauchen noch mehr Innovationskraft aller Beteiligten: Wirtschaft, Bevölkerung und Politik.

Weitere spannende Berichte rund um das Thema Kreislaufwirtschaft finden Sie in der aktuellen TRENNT-Ausgabe 01/2022 hier→